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Ein Nationalpark Egge für die Region – Top oder Flop?

Nach fast anderthalb Jahren Nationalparkdebatte soll am 12. Juni 2024 per Briefwahl die Entscheidung über eine Bewerbung in den Kreisen Höxter und Paderborn fallen.

 

Seit über einem Jahrzehnt schwelt die Debatte um die Ausweisung eines Nationalparks Egge, bevor sie zu einem hitzigen Reizthema wurde und nun vor dem abschließenden Höhepunkt steht. Rückblick: Im Koalitionsvertrag hatte sich 2022 die schwarz-grüne Landesregierung mit „oberster Priorität“ auf einen zweiten Nationalpark in NRW bis 2027 geeinigt. Am 6. September 2023 fiel der Startschuss zum Findungsprozess. Bis zum 30. Juni 2024 können Kreise und kreisfreie Städte Bewerbungen für die Einrichtung eines zweiten Nationalparks beim Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr NRW und damit für den 17. Nationalpark in Deutschland einreichen.

Im Bewerbungs- und Beteiligungsverfahren zu einem weiteren Nationalpark – neben der Eifel – wurde ausdrücklich festgelegt, dass dies im ersten Schritt über eine Interessensbekundung und nur mit einer breiten Akzeptanz in der Region erfolgen solle. Stets von Seiten der Politik betont: ein landesweiter und ergebnisoffener Prozess. Und der gleicht beim Thema „Nationalpark Egge“ inzwischen einem Crescendo kurz vor dem Paukenschlag. Begleitet von unzähligen Protesten von Befürwortern und Gegnern, Meinungsumfragen wie von der IHK bei rund 9.000 Unternehmen, Podiumsdiskussionen, Plakat- und Social Media Kampagnen wird um jedes Argument gerungen.

Teil des Dilemmas: Der Dissens zwischen der CDU geführten Landesregierung in Düsseldorf und der CDU in OWL als stärkste Fraktion in den Kreistagen Paderborn und Höxter. Die Union in Düsseldorf sagt „ja“ – die Union in OWL sagt „nein“. Nachdem sich der Kreistag Höxter im Oktober 2023 gegen einen Nationalpark Egge positioniert hatte, wollten Nationalpark-Befürworter die politische Entscheidung nicht hinnehmen.

„Richten“ soll es nun ein Bürgerentscheid per Briefabstimmung, der mit Hilfe eines Bürgerbegehrens und 9.145 Unterschriften von Nationalpark-Befürwortern erwirkt wurde. Geschätzte Kosten: rund 800.000 Euro.

 

Graf Oeynhausen, Sie führen in siebter Generation ein Familienunternehmen, das seit jeher im Bereich Grundstücksentwicklung und Forstwirtschaft aktiv ist. Darüber hinaus gehören heute die Geschäftsbereiche „Gräflicher Park Health & Balance Resort“, die Gräflichen Kliniken mit insgesamt vier Rehabilitationseinrichtungen und die Bad Driburger Naturparkquellen zu Ihrer Unternehmensgruppe. Warum beschäftigen Sie sich mit dem Thema Nationalpark Egge?

„Für mich als Unternehmer in der Region hat das Thema einen hohen Stellenwert, weil es um wertvollen Grund und Boden und die Verantwortung als Eigentümer geht. Das ist Teil der DNA unseres Familienunternehmens und die Substanz unseres wirtschaftlichen Einkommens. Der Tourismus, insbesondere der Gesundheitstourismus, hat eine große Bedeutung für uns. Eine nachhaltige Bewirtschaftung ist für uns existenziell und gehört zu unserem Leitspruch.“

 

Welche besonderen Aspekte stehen für Sie bei einer Entscheidung mit im Vordergrund?

„Eine Nationalparkentscheidung bleibt nicht ohne Folgen. Dies sollte allen bekannt und bewusst sein. Der Wald ist ökologisch aber auch ökonomisch ein wertvolles Gut. Der ökonomische Wert setzt sich aus dem Aufwuchs, also den Baumarten, deren Altersstrukturen und dem Quadratmeterpreis des Bodens zusammen. In dem Moment, in dem ich den Wald nicht mehr bewirtschafte und stattdessen in den Prozessschutz zugunsten eines Nationalparks gebe, entfällt der Wert der Flächen, den ich als Eigenkapital in meiner Bilanz darstellen kann.“

 

Das klingt jetzt recht kompliziert. Was habe ich mir darunter vorzustellen?

Ganz einfach: wer sich ein Haus oder eine Wohnung kauft oder eine Klinik baut, kann dies in der Regel nicht mal eben so bezahlen, sondern muss neben eigenem Geld auch fremdes Geld aufnehmen.

Bei dem angedachten Nationalpark Egge handelt es sich um Staatseigentum, als Eigentum der Steuerzahler im Wert von rund 100 Mio. Euro. Dieser Wert steht jetzt nicht mehr als Beleihungswert für unsere hohen Staatsschulden zur Verfügung, da dieser – im Falle des Prozessschutzes – als Nationalpark wertlos geworden ist.“

 

Sie verfolgen die Diskussion intensiv und haben selbst an diversen Veranstaltungen teilgenommen. Wie bewerten Sie die Diskussion?

„Mir fällt vor allem auf, dass der Ton ­­– wie überall – härter wird. Die Menschen sind insgesamt gereizter. Die Bereitschaft zum Zuhören ist nicht mehr so da wie früher. Das Ganze ist unheimlich ideologisch geworden, das macht es schwierig. Ein wirkliches Highlight für mich waren da die sachlichen Informationen von Dietrich von Hirschheydt.[1] Das fehlt mir in vielen anderen Diskussionen.“

 

Wo sehen Sie vielleicht Lücken in der Argumentation?

„Ich selbst höre Befürwortern gerne zu. Man kann den Argumenten viel abgewinnen. Einem Yellow Stone Nationalpark zum Beispiel, ist auf den ersten Blick nichts entgegenzuführen. Bei tieferem Hinschauen kann man aber erkennen, dass das Argument für die Region hier so nicht stimmig ist. Nehmen wir mal den Tourismus. Von einem Nationalpark wären Bad Driburg und Altenbeken am meisten betroffen. Doch die aktuellen Übernachtungskennzahlen, die in der Diskussion gerne herangezogen und mit einer Steigerung von 19 % hochgerechnet werden, stimmen so nicht. Die meisten Übernachtungen erreichen wir über Klinikpatienten, die aufgrund der Regeneration, der medizinischen Kompetenz und dem Kurpark hierherkommen. Das muss mit einem Faktor X berücksichtigt werden – wird es aber nicht. “

 

Was wünschen Sie sich von der Politik?

„Ich sage immer, dass die in Düsseldorf gar nicht wissen, wo der Teutoburger Wald liegt. Es wird nachts in einem Koalitionsvertrag festgelegt, dass man sich einen zweiten Nationalpark wünscht. Aber es wird nicht begründet warum das ökologisch und ökonomisch sinn- oder wertvoll ist. Einmal beschlossen heisst es dann einfach: Macht ihr mal. Brauchen wir wirklich einen zweiten Nationalpark in NRW? Kann man eine Landschaft wie die Egge mit der der Eifel von vor 20 Jahren vergleichen? Brauchen wir vielleicht einen Nationalpark der grenzüberschreitend ist? Mir fehlt hier die Führung. Das Land ist auch ein Unternehmen und das muss geführt werden. Sonst funktioniert das nicht.“

 

Wie würde das Ergebnis aussehen, wenn es nach Ihnen ginge?

„Dann gäbe es einen Naturpark Teutoburger Wald oder einen Naturpark Westfalen, wo Nachhaltigkeit und Marke gestärkt werden. Nicht zuletzt war ursprünglich in der Egge gar kein Wald. Das ist erst seit einigen Generationen so, weil man Holz zum Verfeuern und zum Bauen brauchte. So wurde aus dem Gebiet eine Kulturlandschaft, die bewirtschaftet wird. Das macht heute die besondere Attraktivität der Landschaft aus. Wenn wir stattdessen eine totale Wildnis hätten, dann hätte das aus meiner Sicht auch nicht diesen touristischen Reiz. Schließlich gab es weder hier noch woanders in Deutschland eine ursprüngliche Wildnis nach der internationalen Definition.“

 

Definition: Was ist ein Nationalpark?

„… Die fachlichen Kriterien für Nationalparke werden durch § 24 Bundesnaturschutzgesetz vorgegeben. Demnach ist ein Nationalpark ein großräumiges, weitgehend unzerschnittenes Gebiet von besonderer Eigenart. Das Gebiet ist auf einem überwiegenden Teil geeignet in einen Zustand entwickelt zu werden, der einen möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge in ihrer natürlichen Dynamik gewährleistet. Im Einklang mit dem Schutzzweck dienen Nationalparke auch der wissenschaftlichen Umweltbeobachtung, der naturkundlichen Bildung und dem Naturerlebnis der Bevölkerung.“

(Quelle: nationalpark.nrw.de)

Wer nach harten Fakten und Zahlen zu einem „Pro und Contra Nationalpark Egge“ sucht, wird enttäuscht werden. Insbesondere die Kosten sind nicht absehbar. Fest steht, dass die Finanzierung aus Steuergeldern erfolgt. Ob dies durch einen erhofften touristischen Anstieg ausgeglichen werden kann, bleibt mehr als fraglich. Eignet sich der Staatswald überhaupt für einen Nationalpark Egge? Welche Interpretationsspielräume werden genutzt – kann ein Vergleich Eifel 2004 mit der Region Egge 2024 geführt werden? Erleben wir nicht einen intrinsischen Widerspruch in den eigenen Zielen? Die Zukunft wird es zeigen.

  • Erholung für Natur und Mensch
  • Einmalige Gelegenheit, alte Laubwälder zu erleben und unbeeinflusste Besiedlung zu erforschen
  • Aufwind für den Tourismus in der Region
  • Natur bleibt unbeeinflusst vom Menschen und kann sich frei entwickeln
  • Profit für den Tourismus: Die Ausweisung als Nationalpark steigert per se Bekanntheit und Attraktivität der Region und somit das Bruttosozialprodukt
  • Vorteile von ungenutztem Wald: besserer Hochwasserschutz, bessere Grundwasserbildung, geringere Waldbrandgefahr, kühlender Effekt gegen sommerliche Hitzeperioden
  • 70 % der in Frage kommenden Flächen sind heute bereits Naturschutzgebiet, Fauna-Flora-Habitat-Gebiete (FFH-Flächen nach EU-Recht geschützt) oder Vogelschutzgebiete. Egge heute bereits so artenreich wie seit Generationen nicht (Indikatorarten wie Schwarzstorch und Wildkatze vorhanden)
  • Egge besteht aus bewirtschafteten und unbewirtschafteten Wäldern, die 12 % der Fläche ausmachen
  • Zutrittsbeschränkungen und einschränkende Pufferzonen, Nutzungseinschränkungen von Wanderwegen etc.
  • Verlust von Arbeitsplätzen, insbesondere in der Holz- und Forstindustrie
  • Unverhältnismäßige Einschränkungen in der wirtschaftlichen Landesentwicklungsplanung bei Bauland, Gewerbeflächen und Touristik sowie Flächen für Windenergieanlagen zur Erfüllung der Flächenbeitragswerte.
  • Eine nachhaltige Bewirtschaftung von Waldflächen trägt dauerhaft zur klimafreundlichen Bindung von CO2 bei
  • Keine naturschutzfachliche Notwendigkeit für einen Nationalpark vorhanden: Im Höxteraner Kreisgebiet aktuell 32 Kubikmeter Totholz/Hektar – im Eifeler Nationalpark 26 Kubikmeter Totholz/Hektar
  • Jagdliche Beschränkungen führen zu Schäden auf land- und forstwirtschaftlichen Flächen, keine Wildregulierung möglich
  • Klimawandel erfordert aktiven Umbau der Wälder, um den Wald überhaupt zu erhalten und fit für den Klimawandel zu machen. Für diesen Umbau wird eine nachhaltig wirtschaftende Forst- und Holzwirtschaft gebraucht.
  • Wälder im Eggegebirge sind heute das was sie sind, weil sie eine nachhaltige Forstwirtschaft über die Jahrhunderte dazu gemacht hat. Nationalpark macht diese Kulturlandschaft zunichte.
  • Hohe Verwaltungs- und Landschaftspflegekosten. Geschätzte jährliche Kosten eines Nationalparks: ca. sieben bis zehn Millionen Euro für das Land
  • Perspektiven aus landwirtschaftlicher Sicht werden nicht berücksichtigt
  • Zusätzlicher Holzimport (aus Tropenwäldern) zur Kompensation der Nachfrage erforderlich